Till: Laß uns durch die Ausstellung gehen und Du erzählst etwas zu den Bildern.
Florian: Das ist ein Wacholderhain, der zur einen Seite sehr dicht gepflanzt ist und zur anderen immer lichter wird. Man soll vom dichten Wald auf eine offene Fläche kommen, auf der dann nur noch vereinzelt Büsche stehen.
T: Wie groß ist der Wald?
F: Das Ganze soll nicht sehr groß sein. Alle Entwürfe in der Ausstellung zeigen überschaubare Flächen. Das ist am Maßstab der Isometrien [Seite 16-18] zu erkennen.
T: Ich habe die Isometrien so verstanden, daß sie Ausschnitte aus größeren Gartenstücken darstellen.
F: Nein. Die Pläne zeigen die Gärten in ihrem gesamten Umfang. Die Gärten sind ziemlich klein, es ist alles in Reichweite. Ich mag es gern, wenn man ein bestimmtes Terrain überschauen und jede Einzelheit planen kann. Man denkt natürlich auch mal größer, aber hier sollen es wirklich kleine Abschnitte sein, die genau nach Plan ausgeführt werden. Der Wacholderhain dürfte auf einer Fläche von 20x20m stehen.
T: Ich kann mir nicht so recht vorstellen, daß so eine Ü'bergang's-situation auf einer derart kleinen Fläche zur Wirkung kommen kann. Es brauchte doch zumindest auf der einen Seite den Wald und auf der anderen das freie Feld? Also, Dir kommt es nicht darauf an, daß man aus einem Wald über eine Savanne, wo die Büsche vereinzelt stehen, auf eine große Wiese oder in eine Wüste kommt?
F: In diesem Fall kommt es mir nicht darauf an. Hier geht es um den Übergang. Ich kann mir die Wirkung dieses Hains sehr gut vorstellen. Wenn man im dichten Teil steht, ist man von Büschen völlig eingeschlossen, man bewegt sich vorwärts und alles lockert sich auf, bis man nur noch einzelne Büsche um sich hat. Und dann ist man auch schon wieder draußen. Der Garten steht aber nicht im luftleeren Raum, sondern ist von Land umgeben, das nur jetzt noch nicht gestaltet ist. Außerdem würde ich in der Praxis, also beim Anlegen, nicht felsenfest auf diesen 20x20m bestehen. Sollte der Entwurf auf dieser Fläche wirklich nicht zur Geltung kommen, würde ich ihn natürlich etwas vergrößern.
T: Ist der Wacholdergarten natürlicherweise gewachsen, bzw. wie in der Lüneburger Heide im Zuge von Viehaltung entstanden oder ist er angepflanzt?
F: Gepflanzt. Jeder einzelne Busch ist genau angeordnet. Wacholder sind deshalb so schön, weil sie verkrüppelt wachsen. Das fiel mir während einer Wanderung durch die Lüneburger Heide auf. Die Wacholderbüsche dort sehen komisch aus, viele wie oben abgeschnitten. Aus der Mitte wächst oft ein langer, kahler Ast, wie ein Arm, der mit einem kleinen Büschchen endet. In der Dämmerung kann man so einen Busch mit einer menschlichen Gestalt verwechseln. Ich war sofort begeistert. Wir machten eine Menge Spaßfotos und ich wußte, daß ich mit diesen Büschen arbeiten will. Ich habe jetzt gehört, daß es im Altmühltal Grashänge gibt, auf denen vereinzelte Grüpp-chen von Wacholder stehen. Das müßte auch gut aussehen.
T: Ist dieser Garten vielleicht nur zu bestimmten Zeiten zu betreten? Nur in der Dämmerung oder bei Mondschein oder nur an Herbsttagen?
F: Ich glaube, in diesen Zuständen ist der Garten besonders reizvoll. Aber auch in lauen Sommernächten oder Dunkelheit mit starkem Wind, bei Gewitter oder Wetterleuchten. Der Gedanke, einen Park nur zu bestimmten Zeiten zu betreten, ist schon ganz gut.
T: Für Flevoland in Holland, wo Anna und ich in einem Wald unser Landschaftsdiorama aufstellen sollten, hatten wir die Idee, einen Landschaftsblick herzustellen, der nur Nachts erscheinen würde. Diesen Gedanken hatten wir nicht nur um dieses Blickes willen, sondern auch, weil wir den Wald so scheußlich fanden und garnicht wußten, was wir da zu suchen hatten. Dort hätte das Diorama keinen inneren Zusammenhang mit der Gegend gehabt. Aber der Wald, mit den Sinnen der Dunkelheit wahrgenommen, gefiel uns viel besser, und in ihm schien uns auch unser Landschaftsblick einen guten Platz zu haben.
F: Das ist ein Baum mit Holzanrichte in einem lichten, jungen Hain. Der Hain soll aus Eschen oder Ahorn bestehen, weil die so schnell wachsen und schön sind. Von der Pflege her ist es so gedacht, daß man Eschen anpflanzt, wachsen läßt und diejenigen herausnimmt, die zu stark werden. Also immer verjüngen. Zentral steht ein starker Laubbaum. Eine Eiche eignet sich gut dafür, allerdings eine kleinwüchsige. Das ganze soll gut gepflegt und sauber sein und frisch und jung wirken. Solche Holzanrichten habe ich früher manchmal in Bayern gesehen. Man muß die vor allem richtig machen: nicht zu klobig, aber doch sehr stabil. Auf alten Gemälden kann man sie hin und wieder finden. Z.B. in Breughels Schlaraffenland. Erst neulich habe ich mir das Bild wieder angesehen. Es ist wirklich gut.
T: Zu meiner Orientierung: im Hintergrund der Ansicht stehen noch zwei Bäume. Sind die auch in der Isometrie verzeichnet?
F: Nein. Die sind einfach hinzuerfunden, beziehen sich noch nicht auf einen anderen Gartenabschnitt. Da kann man aus dem kleinen Garten hinaussehen. Man könnte dort, wo der Entwurf endet, einen schwarzen Vorhang einhängen. Aber das ist ja ein Schmarrn. In den Isometrien hingegen ist es so, daß ein schwarzer Rand das abdeckt, was es noch nicht gibt. Aber der dargestellte Gartenabschnitt geht an der Seite oben rechts in den Plan hinein und unten links heraus, so daß man von außerhalb in das Blatt gehen, durch die Isometrie hindurch- und wieder aus dem Blatt hinauslaufen konnte. Und der Blick auf diese zwei Bäume ist genau der Blick hin zu diesem "Ausgang" rechts oben in der Isometrie.
F: Der Gedanke hier ist die Verteilung von Büschen und Bäumen am Hang, mit einer Stelle in der Mitte, wo die Bäume dichter stehen, die geschützt ist, wo man sich niederlassen kann. Das ganze soll recht natürlich wirken. Wenn ich oben stehe, sehe ich weit übers Land.
T: Also ein Unterstand mitten am Hang, nicht oberhalb oder am Fuß eines kleinen Hanges, sondern genau da, wo man normalerweise vorbeilaufen würde, weils steil ist.
F: Wieso vorbeilaufen?
T: Weil einen das Schwergewicht vorbeilenkt, weil man da entweder tippelnd runterrutscht oder mit Schwung hinauflauft.
F: Ich weiß nicht, wie Du das machst, aber ich kann mich in so einem Gelände noch ohne Anstrengung bewegen. Außerdem ist mir 'Unterstand' schon zuviel. Einfach eine Stelle, wo die Bäume etwas dichter stehen. Wenn ich Pause machen würde, würde ich mich da hinsetzen.
T: Ich würde mich oben hinsetzen.
F: Ich habe die Erfahrung gemacht, daß ich sehr gerne im Hang unter Bäumen sitze.
T: Das sind Eichen?
F: Große Laubbäume. Eichen, Buchen, Linden, Eschen oder Ahorn.
T: Du hast in diesem Bild den Ausblick vom Hügel angedeutet. Hast Du dazu schon nähere Ideen?
F: Nein, es ist wie bei allen Plänen, die hier zu sehen sind, drumherum ist noch nichts erschlossen.
F: Der Obstgarten ist angeordnet in der Form der 5 auf dem Würfel.Man nennt das 'im Quinkunx* angepflanzt. Das gab es im französischen Garten. Allerdings hat man da - glaube ich - keine Spalier bäume gezogen, sondern Bäumchen verwendet.
T: Verbirgt sich etwas dahinter, daß Du diese Form gewählt hast?
F: Francois Rabelais beschrieb in seinem 'Gargantua' eine Abtei, genannt Thelem. Die Grundfigur des Gebäudes war ein regelmäßiges Sechseck mit einem dicken, runden Turm in jeder Ecke und rings von Wasser umgeben. Diese Anlage sollte eine ideale Erziehungsanstalt sein. An allen sechs Seiten der Abtei lagen Gärten und das alles in einem großen Park. Der Fruchtgarten soll genau im Quinkunx angepflanzt gewesen sein. Rabelais deutete das Ganze nur an, man muß sich selbst ein Bild davon machen. Durch seine Beschreibung bin ich auf diese Form des Obstgartens aufmerksam geworden. Da ich sowieso an einem Spaliergarten bastelte und nicht weiterkam, habe ich Rabelais' Form übernommen. Das geometrische und symmetrische Gebilde ist ein guter Eckpunkt bei meinem Herumsuchen zwischen künstlich und natürlich wirkenden Gärten.
T: Was mich natürlich wundert, ist, daß der Obstgarten völlig kahl ist, während die Bäume dahinter Laub tragen.
F: Kahle Spalierbäume wirken ganz eigenartig. Ein Spaliergarten kann was unheimlich Fieses haben. Das mag ich gerne. Logischerweise müßten die Bäume Blätter haben.
T: Wird den Bäumen das Laub genommen oder sind sie tot?
F: Vielleicht werden sie gezupft wie im Japanischen Garten. Aber das war hier nicht beabsichtigt. Das wäre eine gute Idee. Ich habe sie hier auf den Entwürfen weggelassen, weil ich es so haben wollte.
T: Kann man auch Obst pflücken?
F: Williamsbirnen!
Aber vor allem finde ich es schön, da durchzulaufen. Das ist mir viel wichtiger als das Obst, als die Ernte. Es sind deswegen keine Blätter da, weil es mir auf die Erfahrung, die man darin macht, ankommt und nicht auf die Nutzung.
Das Obstspalier soll auf einem weichen Rasen stehen, der angenehm zu begehen ist. Es ist klar, daß sich Wege austreten, aber nie so stark, daß kein Gras mehr wächst. Das weiche Gras muß ständig durchgehend vorhanden sein. Weißt Du, wo es so was gibt? Auf Berggipfeln. Ich war schon oft erstaunt, was für ein feines Gras dort wächst. Es sieht immer wie frisch geschnitten aus, weil es die Kühe ständig abfressen. Es ist fast, als hätte jemand einen englischen Rasen angelegt.
F: Die Vorstellung ist, daß man unterwegs auf einen Bach trifft, dem man folgt. Möglichst auf einer weichen, leicht sumpfigen Wiese mit Trollblumen und Sumpfdotterblumen. Plötzlich steht man vor einer Mauer, wo der Bach verschwindet. Durch ein Gitter kann man reinschauen oder reingehen, wenn man den Schlüssel hat. Es liegt eben eine Besonderheit im Weg, wenn man dem Bach folgt. Man kann das ummauerte Viereck auch leicht umgehen. Die Mauer ist nicht hoch, man kann drüberklettern.
T: Was sind Trollblumen?
F: Die Trollblume gehört zu den Hahnenfußgewächsen. Sie wächst bis kniehoch. Die Blätter sind lang und gezackt. Sie hat goldgelbe, fast runde Blütenblätter, die sich kugelförmig zusammenneigen und bei Unwetter kleinen Insekten Unterschlupf gewähren. Sie blüht im Frühsommer und gedeiht vor allem in Sumpfwiesen. Sie ist ganz entzückend. Die Sumpfdotterblume findet man auch an diesen Orten, und diese beiden Blumenarten sind sehr schön zusammen. Das eher helle Gelb der Trollblume mischt sich mit dem etwas dunkleren, satten, rötlichen Gelb der Sumpfdotterblume auf dem graubraunen, sumpfigen Boden.
Die Mauer ist aus rotem Klinker gebaut. Sie hat einen Umfang von ca. 16xl6m. Das Tor ist aus Eisen geschmiedet, ganz einfach, ohne Schnörkel. Innerhalb der Mauer ist ein ganz planer und gepflegter Rasen, sauber geschnitten, wo man sich trocken hinsetzen kann. Die Bachkannte ist sehr akkurat. Alles innerhalb der Mauer ist sehr fein und künstlich angelegt. Das Bachbett hat einen Kiesgrund mit runden, verschiedengroßen Kieseln, die es angenehm machen, barfuß in den Bach zu steigen. Das Wasser ist klar und schön kühl und es fließt zügig. Allerdings nur so schnell, daß das Rauschen nicht zu laut wird. Es muß leise plätschern, weil, wenn man sich länger dort aufhält, sind zu laute Fließgeräusche lästig. Der Bach ist so schmal, daß man ihn an fast jeder Stelle bequem überspringen kann. Am schönsten wäre es, dort noch ein paar flinke Bachforellen anzusiedeln.
T: Ich finde, daß die Windungen, in denen der Bach das Viereck durchläuft, sehr gleichmäßig und vielleicht ein wenig eintönig sind.
F: Es kommt darauf an, daß der Bach mit seinen Windungen die Fläche ganz ausfüllt. Es soll einen Verlauf ergeben, der die Wiese in verschieden große Formen einteilt. Man ist sozusagen rundherum von dem Bach umwunden. Ich würde so was nicht eintönig nennen.
T: Obwohl Du die Gegenden, in denen Deine Gärten sein sollen, noch nicht näher bedacht hast und Du Deine Ausstellung 'Lose Gedanken' nennst, ist in Deiner Ausstellung ja doch ein Ablauf und etwas wie eine Einheit entstanden. Erst kommt man durch die Randgebiete oder Vororte, wo es waldig ist, dann hat man das Gefühl, analog zum Charakter der Ausstellungsräumlichkeiten Richtung Zentrum zu gelangen, wo alles enger, künstlicher, gepflegter, persönlicher und auch intimer wird. Es ist ein sehr schöner, stiller Gang durch einen Park!
F: Darauf läuft es ja auch hinaus. Nur der durchgehende Gang ist einfach noch nicht da, z.B. vom Wacholderhain zum Obstgarten. Das ganze Projekt ist so angelegt, daß es sich entwickeln kann. Das "Dazwischen" dient mir im Augenblick sozusagen als Leerstelle, wo alles Mögliche passieren könnte. Das ist aber noch Zukunftsmusik. Ich habe schon Sachen im Sinn, kann aber noch nicht darüber reden. Es ist klar, daß man von da nach dort kommt, aber dazwischen geht man durch die Leere. Anders ausgedrückt: Es fehlen immer ein paar Meter. Wie im Vollrausch. Da gibt es auch bestimmte Bilder, an die man sich genau erinnern kann - Blitzlichter - was dazwischen liegt ist total weg.
T: Könntest Du Dir auch vorstellen, kleine, für sich stehende Gärten zu machen?
F: Die Gedanken sind insofern lose, als daß es sich um kleine Gärten handelt, die auch für sich stehen können. Diese einzelnen Entwürfe sollen aber in einen Zusammenhang gebracht werden, der dann ein Park ist. Ich würde mal sagen, mindestens so groß wie der Jenischpark, eine Größe, die vielfältige Möglichkeiten der Landschaftsgestaltung bietet, in der man sozusagen auch "verschwinden" kann, also nicht alles überblicken. Es wäre schon möglich, zu sagen, z.B. dieser Bachlauf steht für sich allein, ohne Parkzusammenhang. Das stelle ich mir auch schön vor. Aber mein Grundgedanke, auf den ich hinarbeite, ist ein ganzer Park. Grundsätzlich glaube ich, daß ein guter Garten nicht notwendigerweise von der Größe abhängt. Das Kriterium ist viel mehr, wie groß der Garten wirkt. Also die Frage nach der Proportion.
T: Hast Du eigentlich noch andere Gartenpläne im Kopf?
F: Ja. Ein Gedanke ist der Parkway von Olmsted. Das habe ich diesen Sommer in Amerika mitgekriegt. Das ist ein Wegesystem, das Parks miteinander verbinden soll, z.B. den Central Park mit dem Prospect Park, so daß man nicht aus der Parkumgebung raus muß, sondern sich auf einem schmalen Streifen von Park zu Park bewegt. Das heißt dann bei Olmsted 'for pleasure travel'. In New York hat das nicht geklappt, vermutlich weil die beiden Parks so sehr weit voneinander entfernt liegen. Erst in Boston konnte Olmsted die Verbindung verschiedener Parks verwirklichen.
Der Parkway war in fünf Bereiche aufgeteilt: Die Hauptverkehrsader verlief mittig, von kleineren Zugangs- bzw. Reitwegen flankiert, die wiederum von Promenaden gerahmt wurden. Ein baumbepflanzter Rasenstreifen trennte alle Wege und Straßen voneinander und schirmte einen von der Stadt ab. Ursprünglich als geschwungener Weg konzipiert, realisierte Olmsted den Parkway jedoch in Anlehnung an Pariser Boulevards als eine breite, schnurgerade Allee.
So etwas will ich aufgreifen. Außerdem denke ich noch an eine Ebene, die eventuell den Wacholderhain erweitert. Vielleicht eine wirklich große, weite, leere Fläche. Das habe ich auf meiner Amerikareise oft erlebt. Ganz stark am großen Salzsee. Man fühlt sich ziemlich eigenartig auf so einer Fläche.
T: Wie?
F: Ein bißchen komisch. Es ist nicht gerade Angst vor der Leere, aber es geht schon in die Richtung.
T: Ich war ja in der Namib Wüste. Dort bin ich über weite Ebenen gegangen, (jedoch waren da meist noch irgendwo größere Bodenerhebungen in ferner Sichtweite).
F: Hattest Du nicht das Bedürfnis, Dich in ein Loch zu verkriechen?
T: Nein, nie. Ich fand es toll, dort zu gehen, nach Lust und Laune diese oder jene Richtung einzuschlagen und auf alles, was meine Neugierde auf sich zog, sei es auch noch so weit entfernt, geradewegs zuzugehen; oder solche Ebenen in gerader Linie zu durchschreiten und zu spüren, wie sehr, sehr langsam, aber auch wie kontinuierlich ich mich in ihnen bewegte. Es stellte sich ein Gefühl des Schwebens ein.
F: Verstehe. Auf jeden Fall mache ich dazu noch was.
T: Wie sollte die Möglichkeit, Deine Gartengedanken in die Wirklichkeit umzusetzen, aussehen?
F: Eine Möglichkeit, einen Park anzufangen wäre: Man hat ein Gelände, so groß wie der Hamburger Stadtpark oder etwas kleiner, und setzt an geeignete Stellen die Entwürfe hin, so klein wie sie sind, jeden für sich - und so würde der Park wachsen. Zwischen diesen Stellen gäbe es die Leerräume, das Schwarze auf den Plänen. Nun könnte man anfangen, diese Leerräume zu bearbeiten oder aber sie zu lassen, so daß man ein Stück Land hätte, das wenig gepflegt ist, wo kleine Edelsteine hineingesetzt sind, die ganz stark vom Menschen bearbeitet und gepflegt sind.
T: Bist Du der Besitzer des Gartens?
F: Ich kann an dieser Stelle mit der Frage nicht viel anfangen. Aber gut, momentan ist es mein Garten, meine Vorstellung, wie mein Park auszusehen hätte. Wenn man den Garten besitzt, ist man praktischerweise handlungsfähiger und unabhängiger. Ich denke da an Pückler im Gegensatz zu Lenne.
T: Gibt es einen Wohnort im Park?
F: Den wird es sicher geben, weil es das schönste ist, was man sich denken kann. Konkrete Pläne gibt es dazu aber noch nicht.publikationen/vhpub.php
T: Ich möchte Dich gern nach einem Grundgedanken fragen: Wozu sind Deine Gärten da?
F: Einmal sicher für ein Schönheitsempfinden und zum Genuß. Mit Genuß meine ich, bestimmte Zustände zu erfahren. Der Park sollte einen in Befindlichkeiten versetzen. Das Erlebnis z.B. eines fiesen Spaliergartens. Daß man sich vielleicht fürchtet, daß man schaudert, daß man lachen muß, daß der Garten einen befremdet. Oder das Erlebnis, das sich einstellt, wenn man an so einer Grenzsituation steht zwischen dichten und sich auflockernden Büschen. Das Alleinsein verbinde ich auch mit diesen Orten. Sie sind alle weit weg.
T: Ein frischer junger Hain, ein Platz, wo man sein Bier trinken kann.
F: Ja - und wo man sich vor allem mit beiden Ellenbogen auf die Anrichte stützen kann und die bricht nicht zusammen.
T: In alten Landschaftsparks spielen doch z.B. die Tageszeiten eine Rolle, die verschiedenes Licht geben und Veränderungen der Schatten und Flachheit und Tiefe; die Jahreszeiten... In Deinen Ansichten scheint nichts davon wichtig zu sein. Sie wirken neutral und gleichmäßig, alle auf die gleiche Weise. Es gibt keine Stelle, wo etwa ein Baum besonders charakterisiert, herausgearbeitet oder modelliert wäre. Es gibt nicht Licht und Schatten und auch keine Jahres- oder Tageszeiten. Das Wetter, der Himmel ist, wenn überhaupt, mit immergleichen schematischen Linien nur allgemein dargestellt.
F: Das wäre jetzt zuviel gewesen, das auch noch draufzupacken. Grundsätzlich ist das nicht unwichtig, aber das muß jetzt noch offen bleiben. Das Problem liegt dabei, daß man dann z.B. botanisch richtiger werden müßte, und das ist hier gar nicht mein Bestreben gewesen. Es geht jetzt mehr um die räumliche Anordnung der Pflanzen, wie die Dinge zueinander stehen. Alles andere kommt danach. Ganz konkret würde es, sobald man anfinge, die Entwürfe zu bauen. Einen Baum malen ist verdammt schwer. Da kommt man in eine Zwickmühle. Deswegen sind die Bilder neutraler gehalten, damit ich mich nicht auf Botanik einlassen muß. Damit ich in meiner Vorstellung schon mit bestimmten Pflanzen planen kann, aber die Pflanzen nicht in ihrer Richtigkeit darstellen muß. Da fühl ich mich nicht extra wohl, aber ich habe keine andere Antwort.
T: Ich hatte eigentlich vermutet, daß es Dir vielleicht um Qualitäten gehen könnte, die das alles ausschließen?
F: Ich bin sehr wohl ein Freund von Orten, die einer gewissen Behaglichkeit entbehren. Kalte Orte mit Nebel, die einen erschauern lassen. Orte, wo etwas nicht stimmt, die unwirklich oder surreal wirken. Ein kahler Spaliergarten, der an einem späten Herbsttag seine schwarzen Äste in den fahlen, feuchten Himmel streckt, in einer Gegend, die in der näheren Umgebung sonst nichts bietet. Aber wer würde schon die Sonne und das Wetter, die Tages- und Jahreszeiten ausschließen wollen, wovon eine Landschaft lebt. Ich jedenfalls nicht.
T: Ich finde die Idee eines solchen Ausschlußes jetzt auf Anhieb sehr faszinierend!
Du hast Dich mit Robert Smithson beschäftigt. Da gibt es ja den Begriff des Nichtorts. Interessiert Dich so was an Gärten?
F: Smithson suchte ja alte, brachliegende Industriegebiete, ökologisch ruinierte Gegenden, um dort skulptural in der Landschaft zu arbeiten. Ich habe das gerade am großen Salzsee in Utah sehen können. Auch da sind alte Öllager und sonderbare Militäreinrichtungen. Ich kann zwar durchaus eine Qualität in solchen Gebieten finden, aber im Sinne von Garten kann ich mir das nicht vorstellen.
T: Darf ich trotzdem auf diesem Punkt noch ein wenig beharren? Ich meine, in Deinen Entwürfen etwas zu sehen, was solchen 'Nicht-orten1 vielleicht ähnlich ist. Für mich sehen Deine Entwürfe so aus, als hätten sie vielleicht mit dem zu tun, was heute von alten Parks übriggeblieben ist. Die Orte auf Deinen Ansichten wirken eher "normal", so wie man sie in städtischen Umgebungen sieht. Dieser Hang könnte doch am Rand eines Stadtparkes liegen, wo die Kinder rodeln und im Sommer manchmal Penner rumliegen. Er sieht abgetreten und abgeschmuddelt aus, die Büsche vom Herumlungern zurückgedrängt. Der Park stammt aus dem letzten Jahrhundert, wurde während des 2. Weltkrieges vollkommen vernachlässigt, dann irgendwann von der städtischen Behörde übernommen und zum Erholungspark renoviert. Der Hain mit dem Baumtisch sieht aus wie ein Rastplatz in einem Stadtwald. 1962 wurde das Mauerkarree gebaut, darin kann man im Sommer auf öffentlichen Liegestühlen Mittagspause abhalten. Der Obstgarten ist noch ein echtes Überbleibsel aus dem Barock und steht jetzt unter Denkmalschutz, aber Jahre der Zuwucherung haben ihn verdorben und an ihm ist nichts Kunstvolles mehr, er ist fast abgestorben und seine Früchte sind kümmerlich und holzig.
Deine Art zu zeichnen ist ja auch ein bißchen schlaksig und suggeriert nicht gerade gärtnerische Fürsorge. Ich kann nicht sagen, daß 'unsorgfältig1 gezeichnet ist, aber so, wie die städtische Gärtnertruppe, zu der auch ein paar Hilfsarbeiter gehören, jährlich einmal alles durchkämmt, beschnibbelt und bereinigt.
F: Das ist jetzt eine Kritik an der Darstellung, wenn ich das richtig verstanden habe. Der Stil ist ein bißchen schlaksig, wie Du sagst, aber das bedeutet nicht mangelnde Fürsorge. Die Durchgestaltung dieser Orte ist wichtig und vielleicht kann man da an der einen oder anderen Stelle nochmal nachfassen, mehr verdeutlichen, wie Pflege und Entwurf die Gestaltung bestimmen.
Du schließt dann von den einzelnen entworfenen Gärten auf deren Lage und kommst auf Volksparks, die anfangs dieses Jahrhunderts aus einer gesellschaftlichen Reformbewegung heraus entstanden sind. Eine vorbeugende Gesundheitspflege wurde von Industrie und Politik als Produktionsfaktor erkannt. In der Gartenarchitektur kam es zu einer Diskussion um die soziale Komponente der Freiraumplanung. So entstand der Volkspark als Modell eines vielfältig nutzbaren städtischen Parks. Hier in Hamburg war es 1909 der Stadtpark. Der gefällt mir gut. Das Problem dabei ist, daß er von den vielen Besuchern so abgenudelt wird. Z.B. im Prospect Park und im Central Park ist das noch viel schlimmer. Da gibt es für das Pflegepersonal kein Durchkommen mehr. Da es mir aber in erster Linie um den Garten und Park selbst geht, daß man den so gestaltet, also anlegt und pflegt, daß man ein anderes Erlebnis hat als in abgetragenen Volksparks, bin ich mit Deiner Hypothese, daß der Hang Teil eines Stadtparks sein könnte, nicht einverstanden. Eine soziale Nutzbarkeit kümmert mich nicht besonders.
Ich orientiere mich schon an dem, was es in alten Parks gibt und manches ist auch übernommen. Ich bin an einer Annäherung an bestimmte alte Parkideen interessiert, wenn auch mehr im Geiste als in der Form, um mit Pückler zu reden. Häufig kommen die Gedanken auch von dem, was ich in der Stadt und auf dem Land sehe. Aber meine Entwürfe haben eigentlich nichts mit dem zu tun, was von alten Parks heute noch übriggeblieben ist. Mir schwebt schon etwas vor, was darüber hinausgeht, was besonders ist. Und das muß man unmittelbar sehen und erleben können. Deshalb sind Deine Vergleiche mit Dir bekannten Orten wie Stadtwaldrastplätzen falsch.
Ich will Dir sagen, was mir am Hamburger Stadtpark gefällt. Bestimmte Orte dort sind eigenartig, wenn man allein oder zu zweit dort hinkommt. Plätze, die etwas abseits vom Besucherstrom liegen und nicht so stark frequentiert werden. Dazu fällt mir diese Freilichtbühne an der Nordostecke ein, die durch dichte, grobe Buchenhecken eingegrenzt ist. Oder bestimmte Stellen am Wasser im Wald. Dort kann es höchst sonderbar sein. Es ist da keineswegs still, weil in der näheren Umgebung Tausende von Leuten sind. Autogeräusche hört man sowieso. Man selbst verweilt aber an einem menschenleeren Parkstück, wo man denken könnte, diese Gegend sei längst von der Menschheit verlassen. Das liegt, glaube ich, auch sehr daran, daß eben diese Orte nicht sonderlich gepflegt sind und ein bißchen vor sich hin verwildern. Gute Zeiten für so ein Erlebnis sind frühmorgens, abends und nachts, weil da weniger Menschen im Stadtpark sind.
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